Requiem: In paradisum

Duruflés Requiem im Magdeburger Dom

Im November, wenn die Blätter gefallen sind und Europa die dunklen Tage und langen Nächte erlebt, denkt der Mensch ans Vergängliche, an Endzeiten und an diejenige, die schon von uns gegangen sind. Kirchenmusikalisch ist es die Zeit der Requien.

So singt der Domchor am 10. November um 19.30 das Requiem von Maurice Duruflé (1902 – 1986), zwar noch zwei Wochen vor dem Ewigkeitssonntag, dafür zu einer Zeit, in der es noch nicht bitterkalt im Dom geworden ist – und am Vorabend des Tages, an dem der 100. Jahrestag der Beendigung des ersten Weltkrieges bedacht wird.

Bewusst steht das Konzert unter dem Motto „In Paradisum“, denn Duruflés Requiem, wie auch das von Gabriel Fauré, ist ein Werk in dem, anders als in den Requien von zum Beispiel Berlioz oder Verdi, der Gedanke an das jüngste Gericht, an Feuer und Flamme und die Hölle als Strafe für die Sünder unterdrückt wird zu Gunsten einer Konzentration auf den Lohn des Gerechten, des Gläubigen – das Leben im Himmel und die Einigkeit mit Gott. Leuchtenden Farben, überwiegend langsame Tempi und die leisen Schlüsse aller 9 Sätze geben dem ganzen Werk ein meditatives und, trotz einiger Ausbrüche, kein dramatisches Character.

Duruflés Werk entstand 1941 im Auftrag der Vichy-Regierung im okkupierten Frankreich, zunächst als Werk für Chor, Solisten und sehr großes Orchester. Die Erstaufführung fand aber erst nach Kriegsende statt. Die zweite Fassung, die im Konzert zu hören ist, folgte 1948; hier wird der Chor nur von der Orgel begleitet. Eine dritte Fassung, für Streicher, Harfe und Orgel, folgte 1961.

So sehr wie Duruflé das Werk von Fauré in der Gesamtanlage als Beispiel genommen hat – zum Beispiel in dem Verzicht auf lange Passagen aus dem Sequenz „Dies Irae“ – sind musikalisch bedeutende Unterschiede auszumachen. Anders als Fauré, der eher mondäne und (trotz Kirchenmusikerstelle!) kirchenfern war, war Duruflé, der 46 Jahre lang als Organist an der Pariser Kirche St. Etienne du Mont, überzeugter und frommer Katholik, dem traditionellen Gesang seiner Kirche ausgesprochen zugeneigt. So ist das Requiem durch und durch in gregorianischen Melodien durchzogen, manchmal ganz klar erkennbar, manchmal umgeformt und verschleiert. Bestechend ist die Weise, in der der Komponist, der nur 14 Werke hinterließ, den einstimmigen Gesang verschiedener Stimmgruppen einsetzt: Männerstimmen für das Dramatische, der Alt für das Flehen und Bitten, der Sopran für das Entrückte und Überirdische.

Die überaus anspruchsvolle Orgelpart übernimmt der junge Brite  Richard Gowers, der in vielen Jahren als „Organ Scholar“ von King’s College Cambridge unerreichte Erfahrung in der chorischen Begleitung sammelte. Die Leitung hat Barry Jordan.

Zwei a cappella Werke ergänzen das Programm: der Motettenzyklus „Job“, Vertonungen von vier Passagen aus dem Buch Hiob in Latein von dem südafrikanischen Chorleiter und Komponisten Niel van der Watt (geb. 1961), und die großangelegte doppelchörige Motette „Vor allem, das entstand“, zu einem Text von Matthias Claudius (aus dem „Großen Halleluja“) von Hans Chemin-Petit, dem Potsdamer Musiker und Komponisten der in den Jahren des Zeiten Weltkrieges den Domchor vorübergehend leitete.